Ich hatte mich in der Vergangenheit nie ausgiebig mit meinem Körper beschäftigt. Es war mir egal wie ich aussehe. Ich hatte kein Bedürfnis mich äusserlich verändern zu wollen, um anderen Menschen zu gefallen. Für Sport hatte ich auch nie Interesse. Sport war in der Schule ein Fach, auf das ich gut verzichten konnte. Dies hatte auch damit zu tun, dass im Sportunterricht immer wieder Teamspiele gespielt wurde, in denen ich durch meine Unsportlichkeit eine Belastung für jedes Team war. Meine soziale Phobie hat diese Erfahrungen noch schlimmer gemacht. Sport war für mich immer mit einem sehr negativen Gefühl verbunden. Durch die Therapie habe ich meine Beziehung zu mir selbst in Frage gestellt. Ich habe angefangen mich mit meinem Körper zu beschäftigen.
Zu meiner Schulzeit habe ich bei einer Größe von 1,88 m ein Gewicht von ca. 80 kg gehalten. Nachdem ich, durch die Depressionen bedingt, angefangen habe Antidepressiva zu nehmen, habe ich im Laufe der Jahre zugenommen. Ich habe dies so hingenommen und immer den Antidepressiva die Schuld für meine Gewichtszunahme gegeben. In erster Linie hatte mein Gewicht aber mit meiner schlechten Ernährung und der mangelnden Bewegung zu tun. Ich habe nicht darauf geachtet was ich esse und immer soviel gegessen wie ich wollte. Zu dieser Zeit hatte ich keinen Sport gemacht und dadurch bedingt nur einen geringen Kalorienverbrauch. Im Laufe der Jahre bin ich dann bei einem Gewicht von 105 kg angekommen. Mich hatte dies aber nicht gestört.
Probleme mit meinem Körper
Bedingt durch die Therapie habe ich mich verstärkt mit der Beziehung zu mir selbst beschäftigt. Dabei habe ich hinterfragt ob ich mit meinem Körper zufrieden bin. Ich habe gemerkt, dass ich meine Unzufriedenheit gegenüber meiner Körper immer verdrängt hatte. Mein Selbstwert hatte unter meinem Körper gelitten. Ich habe mich selbst immer als Schwächling gesehen und musste immer allen Konfrontationen aus dem Weg gehen. Wenn es zu einer körperlichen Konfrontation gekommen wäre, hätte ich keine Chance gehabt mich zu behaupten. Dabei muss ich immer wieder daran zurückdenken, wie ich im Zivildienst körperlich angegangen wurde.
Durch meine Ernährung hatte ich häufig körperliche Probleme. Zu dieser Zeit habe ich mich sehr ungesund ernährt. Ich habe häufig sehr fettreich gegessen. Mein Körper hat diese fettreiche Ernährung aber nicht sehr gut vertragen. Ich hatte häufig Magen- und Verdauungsprobleme und war abhängig davon immer eine Toilette in der Nähe zu haben. Zudem habe ich häufig nicht gut geschlafen und war deswegen oft tagsüber müde und energielos.
Neuanfang
Nachdem ich mir bewusst gemacht habe, welche Probleme ich durch mein Aussehen und meine Ernährung habe, musste ich etwas unternehmen. Ich hatte diesen Zustand über Jahre aufgebaut. Daher war es nicht so leicht daran etwas zu ändern. Mir war aber bewusst, dass ich auf Dauer nur mit mir selbst zufrieden sein würde, wenn ich etwas ändere. Es war mir immer noch egal was andere Menschen von meinem Aussehen halten. Ich wollte es für mich selbst schaffen etwas zu verändern. Mein Körper sollte eine gesunde Grundlage für die Zukunft haben. Als erstes Ziel wollte ich es schaffen weniger als 100 kg zu wiegen.
Ich habe zunächst bei meiner Ernährung angesetzt. Da ich nicht komplett auf alles verzichten wollte, habe ich meine Ernährung anfangs nur teilweise umgestellt. Ich habe dazu jeden zweiten Tag auf meine fettreiche Ernährung verzichtet und versucht mich an diesen Tagen so gesund wie möglich zu ernähren. Durch meine Essstörung war ich diesen Zeitpunkt noch sehr eingeschränkt. Ich musste mich immer wieder überwinden neue Sachen zu probieren und habe im Laufe der Zeit meine Ernährung Schritt für Schritt umgestellt. Ich habe mehr und mehr auf ungesunde Nahrung verzichtet und war irgendwann an einem Punkt angekommen, ab dem ich mich gesund ernährt habe.
Da mir bewusst war, dass die Umstellung der Ernährung nicht ausreichen wird um abzunehmen, musste ich über Sport nachdenken. Ich habe zunächst recherchiert wie ich am besten vorgehen kann. Als erstes habe ich mir einen Fitnesstracker mit Pulsmessung gekauft. Diesen Kauf habe ich bis heute nicht bereut. Ich konnte zum ersten Mal sehen wieviele Schritte ich am Tag zurücklege und wieviel Kalorien ich verbrenne. Dadurch war jeder zurückgelegte Schritt ein Erfolg. Ich habe angefangen regelmäßig spazieren zu gehen, versucht meine Schrittgeschwindigkeit zu erhöhen und längere Strecken zu laufen. Ich konnte im Laufe der Zeit klare Fortschritte erkennen.
Zusätzlich habe ich mir eine App installiert, in der ich alle zu mir genommenen Lebensmittel eingetragen habe. Dadurch wurde mir bewusst wieviele Kalorien ich zu mir nehme. Dies war anfangs schockierend. Mir wurde bewusst wieviele Kalorien bestimmte Nahrungsmittel haben und wieviel ich mich bewegen musste um diese Kalorien wieder zu verbrennen. Das hatte eine abschreckende Wirkung. Ich achte nun bei allem was ich esse auf die Kalorien die ich dadurch zu mir nehme. Beim Abnehmen habe ich versucht jeden Tag mindestens 500 Kalorien mehr zu verbrauchen als ich zu mir nehme. Anfangs war dies sehr schwierig, da ich sehr oft starken Hunger hatte. Durch neue Gewohnheiten kann man sich aber auch an eine Ernährungsumstellung gewöhnen. Irgendwann werden diese Umstellungen zur Normalität.
Erste Erfolge
Nach den ersten Abnehmerfolgen und der zunehmenden Fitness durchs regelmäßige Walken, habe ich angefangen mich mit dem Thema Krafttraining zu beschäftigen. Da ich neben meinem Gewicht auch mit meiner Muskulatur unzufrieden war, habe ich angefangen meine Muskeln zu trainieren. Meine Muskulatur war zu diesem Zeitpunkt sehr unterentwickelt. Dadurch konnte ich Muskeln aufbauen obwohl ich abgenommen hab. Ich habe mir Kurzhanteln bestellt, verschiedene Übungen angesehen und zu Hause trainiert. Im Laufe der Zeit habe ich mir schwerere Gewichte gekauft und versucht mich immer weiter zu steigern.
Ich war sehr ehrgeizig und die ersten Erfolge haben sich schnell abgezeichnet. Nach wenigen Wochen war ich bereits unter 100 kg. Durch diese ersten Erfolge war ich sehr motiviert. Zusätzliche Motivation habe ich aus dem Bonusprogramm meiner Krankenkasse gezogen. Dieses hat mir als Ziel 60000 Schritte pro Woche vorgegeben, die ich jede Woche geschafft habe. Ich habe mich immer weiter gesteigert. Die gelaufenen Strecken wurden länger, ich habe immer mehr Kalorien verbrannt und mein Krafttraining hat auch Erfolge gezeigt.
Ich habe innerhalb von 5 Monaten 25 kg abgenommen. Meine Kleidergröße hat sich von XXL auf M reduziert. Mein Umfeld hat dies bemerkt und ich habe sehr viel Zuspruch erhalten. Es hat sich sehr gut angefühlt. Ich habe mir ein Ziel gesetzt und alles dafür getan dieses zu erreichen. Ich war sehr zufrieden mit mir selbst. Durch die neue Kleidungsgröße benötigte ich komplett neue Kleidung. Dabei habe ich zum ersten Mal wirklich darauf geachtet was mir gefällt und mich getraut Figurbetonte Kleidung zu tragen. Ich war mit den 80 kg sehr zufrieden. Dabei habe mehr als die Hälfte meines Körperfetts verloren.
Nächste Schritte
Nachdem ich mein Körperfett reduziert hatte, habe ich den Fokus auf Muskelaufbau gelegt. Mir war es dabei wichtig nicht wieder zuviel zuzunehmen. Daher habe ich mit einem moderaten Kalorienüberschuss gearbeitet. Ich habe meine Ernährung auf den Muskelaufbau angepasst. Um diesen zu unterstützen habe ich angefangen Kreatin einzunehmen. Ich habe meinen Ernährungsplan so umgestellt, dass ich alle wichtigen Nährstoffe, d.h. meinen Bedarf an Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett abdecken kann.
Es hat eine Weile gedauert, aber mein Muskelaufbau ging gut voran. Ich habe mich mit über die Zeit immer besser gefühlt. Mein Umgang mit meinem Körper hat sich komplett geändert. Zum ersten Mal war ich zufrieden mit meinem Körper und hatte ein komplett neues Körpergefühl entwickelt. Ich konnte meinen Körper besser einschätzen und wusste was ich mir und meinem Körper zumuten konnte. Früher habe ich mich nicht gerne im Spiegel betrachtet. Mittlerweile bin ich Stolz wenn ich mich im Spiegel betrachte.
Auswirkung auf Soziale Phobie
Mein neuer Körper wirkt sich positiv auf meine soziale Phobie aus. Mein Selbstwert hat sich stark verbessert. Durch den Muskelaufbau bin ich nicht mehr so schmächtig wie früher und fühle mich sicherer. Ich bin zufrieden mit mir und meinem Aussehen. Ich habe mir ein Ziel gesetzt, alles dafür getan dieses zu erreichen und mich von nichts davon abbringen lassen.
Seit Ende letzten Jahres bin ich in einem Fitnessstudio angemeldet. Anfangs war das sehr schwer für mich dort hinzugehen. Meine sozialen Ängste waren sehr stark und ich musste sehr hart dagegen ankämpfen. Mittlerweile gehe ich zwei Mal pro Woche ins Fitnessstudio und konfrontiere mich dadurch regelmäßig mit meinen Ängsten.
Mein Gewicht hält sich mittlerweile in etwa bei 85 kg. Ich achte bei ca. 80% meiner Nahrung darauf, dass ich mich gesund ernähre und erlaube mir bei den restlichen 20% zu essen was ich möchte, solange ich auf meine Kalorien achte.
Ich bin sehr froh, dass ich diesen Teil meines Lebenswandels erfolgreich absolviert habe und fühle mich sehr viel besser als früher.