Aufwachsen mit sozialer Phobie / Schulzeit, Zivildienst, Studium

Meine soziale Phobie hat mein Leben von Anfang an geprägt. Bereits in meiner Kindheit hatte ich meine ersten prägenden Erlebnisse. Ich hatte seit meiner Kindheit eine Essstörung, durch die ich nur eine Hand voll Dinge gegessen habe und mich in Gegenwart von Menschen die essen geekelt. Dies führte dazu, dass ich in meiner Schulzeit immer wieder Situationen verlassen musste in denen ich überfordert war, weil andere gegessen haben. Und wie Menschen nun einmal so sind, wird man durch sowas natürlich schnell als seltsam betrachtet. Für mich war die Schulzeit alles andere als schön. Ich hatte bis auf weniger Ausnahmen keine Freunde und war immer der Aussenseiter. Ich habe mich im Unterricht nie gemeldet, weil ich immer Angst hatte etwas falsches zu sagen und mich lächerlich zu machen. Ich habe mich eigentlich in allen Situationen unwohl gefühlt, in denen ich direkten Kontakt zu meinen Mitmenschen hatte.

Über die Jahre prägt einen das. Ich habe dies alles für normal angesehen und nicht hinterfragt. In meiner Freizeit war ich meisten zuhause und habe mich mit zocken beschäftigt. Mich hat das auch so nicht gestört. Ich war eigentlich froh wenn ich meine Ruhe hatte und mich nicht in Situationen begeben musste, die mich unter Stress setzen. Durch die soziale Phobie, war eigentlich so ziemlich alles, bei dem ich Kontakt mit anderen Menschen hatte, purer Stress. Ich habe zu dieser Zeit überhaupt kein Selbstvertrauen gehabt und mein Selbstwertgefühl war im Keller. Wenn Menschen mit mir geredet haben, habe ich alles überinterpretiert und immer das Gefühl gehabt, dass mich irgendwer wegen irgendwas kritisieren will. Und gerade im Kontakt mit anderen Kindern/Jugendlichen kriegt man natürlich auch jede Menge Sachen zu hören, die nicht besonders gesund sind, wenn man eh schon Probleme mit sich selbst hat. Ich kam auch nicht auf die Idee, meine negativen Gedanken zu hinterfragen. Ich kannte es ja nicht anders. Ich war anders. Ich wusste das und jeder andere auch. Ich hatte aber auch keine gesunde Grundlage auf der ich mich selbst beurteilen konnte. Ich habe so mit mir gelebt, war aber auch nie wirklich in der Lage zu sagen, dass ich mich selbst akzeptiere und zufrieden mit mir bin. Entsprechend war meine Schulzeit sehr anstrengend.

Dennoch habe ich mich irgendwie dadurch gebissen, bis ich irgendwann mein Abitur gemacht habe. Das war aber auch ohne den Kontakt zu meinen Mitschülern alles andere als einfach. Dadurch, dass ich im Unterricht nichts gesagt habe, waren meine mündlichen Noten immer sehr schlecht. Das musste ich entsprechend durch Klassenarbeiten ausgleichen. Dummerweise kommen dann zwischendurch so Sachen wie mündliche Prüfungen, Präsentationen und ähnliches. Allesamt Situationen, die der totale Horror für einen Sozialphobiker sind. Das sind Situationen die einen psychisch total auslaugen, da man sich ständig darüber Gedanken macht was andere Menschen von einem denken, sich selbst die wildesten und unrealistischsten Horrorszenarien ausmalt und die Angst dadurch nur noch weiter verstärkt. Aber irgendwie hab ich auch das geschafft. Dummerweise haben solche Situationen dann auch bleibende Eindrücke hinterlassen, sodass ich dadurch nicht die Erfahrung gezogen habe, dass ich es ja schaffe und meine Befürchtungen nicht eintreffen, sondern dass es beim nächsten Mal dann wieder so schlimm wird und mich wieder so unter Stress setzt.

Nach dem Abitur habe ich meinen Zivildienst in einem Altenheim im technischen Dienst durchgeführt. Dadurch war ich zumindest nicht konstant im direkten Kontakt mit Menschen. Ich musste dabei z. B. einfache Hausmeistertätigkeiten durchführen, Essens-wagen verteilen, Getränke verteilen, putzen und diverse andere Dinge. Das ging auch einigermaßen. Ich hatte dort aber entsprechend mit anderen Zivildienstleistenden zu tun. Über die Zeit sind natürlich Leute fertig gewesen und neue dazu gekommen. Mit den meisten Leuten kam ich auch gut klar. Da ich aber auch Leute dabei hatte, mit denen ich nicht gut ausgekommen bin, kam es irgendwann dazu, dass ich dort körperlich angegangen und bedroht wurde. Das war entsprechend eine sehr prägende Erfahrung und ich musste danach zum Glück nicht mehr dort arbeiten.

In der Zeit nach dem Zivildienst habe ich mich durch diese Erfahrungen kaum noch aus dem Haus getraut. Kurze Zeit nach dem Zivildienst fing dann aber mein Studium an – in einer fremden Stadt, in einer Fachhochschule, die irgendwo im nirgendwo war. Das ging entsprechend nicht lange gut und ich habe nach einiger Zeit mein Studium abgebrochen. Ich war zu der Zeit psychisch einfach total am Ende. Ich habe mich auch nicht getraut mich meinen Eltern anzuvertrauen. Dadurch hat es einige Monate gedauert in denen ich so getan habe, als wenn ich weiter studiert hätte. Ich war damals nicht in der Lage vorher die Entscheidung zu treffen, die für mich eindeutig die bessere gewesen wäre. Ich war einfach in meinen Gedanken gefangen und habe mich nicht getraut etwas zu unternehmen. Irgendwann konnte ich nicht mehr verheimlichen und habe das Studium in dem Zuge dann endgültig abgeschlossen. Nach dem Studium habe ich dann zunächst Hilfe von einer Psychiaterin erhalten, da es in unserem Gesundheitssystem leider einen großen Mangel an Stellen für Psychotherapien gibt. In Folge dessen wurde mir dann erst einmal mit Antidepressiva geholfen. Dadurch war ich zumindest wieder in der Lage mein Leben wieder etwas unter Kontrolle zu bringen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war das Leben als Sozialphobiker entsprechend sehr anstrengend. Man ist einfach in dieser Angst gefangen und es fällt sehr schwer da wieder raus zu kommen. Man wächst in einer Leistungsgesellschaft auf und kriegt beigebracht, dass man immer auf den Punkt abliefern muss und keine Schwächen zeigen darf. Man lernt, dass man immer in allem der beste sein muss. Davon ab lernt man schnell, dass jeder der irgendwie anders ist, direkt als seltsam abgestempelt wird und andere Menschen schnell nichts mehr mit einem zu tun haben wollen. Wenn man sein Leben lang mit diesen Gedankenmustern aufwächst und das gesamte Weltbild darauf basiert, ist es sehr schwer sich zu ändern. Ich habe zu dieser Zeit immer versucht mich zu verstellen und anzupassen. Ich wollte immer so sein, wie andere mich gerne haben wollen und habe meine eigenen Bedürfnisse zurückgestellt. Das hat nur zu noch mehr Problemen geführt wie ich später erkannt habe.

Die folgenden Jahre, waren die ersten Jahre in denen sich wirklich etwas geändert hat. Über diese werde ich im nachfolgenden Beitrag schreiben.

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